Die unendliche Geschichte (Abspann)

Täter kehren ja immer an den Tatort zurück, das ist eine alte Sache. So sind auch wir in der ersten Woche nach unserer Heimkehr zum Mainspitzdreieck zurückgekehrt, wo unsere Reise vor ca. 6 Monaten ihren Anfang genommen hatte. Komisches Gefühl, sich an diesen gemeinschaftlichen Moment (mit unseren 7 Gefährten) zu erinnern, mit den Erwartungen von damals, ohne auch nur einen Hauch einer Ahnung, was uns alles begegnen wird.

Hier beim 0,0 Schild finden wir auch den ideenspendenden Wegweiser Richtung Schwarzes Meer, mit der falschen Angabe 2900 km (wir haben ca. 3500 km gebraucht 😉 Allenfalls das 0,0 Schild ist für Kanuten erkennbar, den Hinweis auf das Schwarze Meer gibt’s im Kleingedruckten und damit eher für Radler und Wanderer, die auf dem Leinpfad unterwegs sind.

„Von der TID kommt keiner unverändert zurück“ heißt es. Wie hat uns die Reise verändert? Nicht einfach zu sagen. Getreu der Erfahrung, dass eine Reise die Ideen für weitere Reisen liefert, haben wir Lust auf die neuen östlichen Nachbarn bekommen. Sicher macht es Spaß mehr über Ungarn, die Slowakei, Serbien, Bulgarien und Rumänien zu erfahren. Es wird nicht einfach werden, den geeigneten Rahmen für eine Rückkehr zu finden. Zu authentisch ist eine TID-Tour, bei der man sich das Land aktiv und entschleunigt erfahren kann, was zur Wiederkehr reizt und auch uns erklärt, warum jedes Jahr so viele Wiederholungstäter dabei sind. Wir werden sicher zu den Einmal-dabei-immer-dabei Typen gehören, aber mit einer Pause und beim nächsten mal nur mit einer Etappe. Auf der anderen Seite möchte man vielleicht mehr sehen wie die Donau 😉 Andere Wiederkehrer und auch Weggenossen sind mit dem Rad gereist!?

„Don’t judge a book by it’s cover“, der Spruch unseres Lieblingsangelsachsen, heißt ja nichts anderes wie das deutsche Pendant „Der erste Eindruck kann täuschen“. Auf einer so langen Reise in der Gruppe hat man Gelegenheit jeden noch mal neu kennen zu lernen und begreift, dass am Ende nicht ein einziges Arschloch dabei war, vielleicht außer einem selbst ;-).

„B… you are absolutely the latest bird“, ist der spaßige Vorwurf eines netten, bulgarischen Teilnehmers mit spitzem Hut an einen deutschen Teilnehmer, der die deutsche Tugend des Pflichtvorrangs thematisiert und zeigt, wie sympathisch es sein kann, Erwartungen mal nicht zu bedienen. Wir selbst werden nie zu den frühen Vögeln gehören, sind aber auch nicht diejenigen, die zuletzt eintreffen, da wir nicht die Meister in der Orientierung im neuen Umfeld sind. Das Leben spielt aber nicht nur in den Camps und so sind wir froh, dass unser flottes Boot und auch unser effektiver Paddelmodus immer lange Pausen ermöglicht haben. Späte Ankunft im Camp resultiert in der Regel nicht in Problemen mit der Platzsuche oder ähnlichem.

Für uns war die Reise auch eine Beschränkung auf eine einfache Story und damit das Gegenteil der Situation zu hause, wo man ständig mehrere Bälle in der Luft hat, ob man will oder nicht. Ist es das was uns unterwegs, trotz Tage mit teilweise harten Anstrengungen, zufriedener gemacht hat? Mal sehen ob es uns gelingen wird, unseren heimatlichen Alltag etwas zu donauisieren 😉

Wenn wir uns wirklich verändert haben und sei es nur ein wenig, dann wirkt die Reise doch unendlich fort oder ;-?

Um den Gedanken nicht zu viel Raum für Rückwärtiges zu überlassen, stürzen wir uns in die Inspektion unseres Reviers links- uns rechtsseitig des Rheins, mit Neugier, was sich alles so verändert hat in den Tagen unserer Abwesenheit, aber auch was noch immer so ist wie wir es lieben (z.B. Brötchen von unserem Lieblingsbäcker Schrank oder Cafe und Kuchen in der Annabatterie ;-).

Dies ist der letzte Blogeintrag der Reise 🙁 Es hat uns viel Freude bereitet, den Blog über die 6 Monate zu schreiben. Man kann dabei so herrlich seine Gedanken sortieren. Auch wenn sich die Beiträge ja grundsätzlich an alle Follower wenden, so hat man bei dem einen oder anderen Satz,  je nach Thema, oft einen sehr persönlichen Adressaten im Sinn. Zusammen mit den Kommentaren, die im Gegensatz dazu sogar konkret Adressiert sind, erlaubte uns diese Art der Kommunikation eine für uns wichtige Nähe, zu allen die uns lieb und wichtig sind, zu halten.

Die nächsten Tage werden wir lediglich noch unsere Packliste mit einigen praktischen Erkenntnissen anfügen, was bestimmt für zukünftige TID- bzw. Langzeitpaddler interessant sein dürfte 😉

Vielen Dank an alle Mitfieberer, Kommentatoren, Unterstützer und Reisegefährten und viel Spaß bei der Lektüre des letzten Beitrags 😉

Wien

Wir haben nicht wirklich viel unternommen in Wien, zusehr sind wir noch im Erholungsmodus 😉 Die Wienerwand haben wir allerdings mehrfach heimgesucht, um aus dem Staunen über soviel tolle Graffitis nicht herauszukommen. Wir freuen uns auf die Meeting of Styles (MoS) Wände in Kastell, die während unser Abwesenheit mit neuen Inhalten gefüllt wurden und die wir noch nicht kennen. 

Die Steet Fotografie Ausstellung im Kunst Haus Hundertwasser knüpfte eine Verbindung zu unserer letzten Station Budapest mit den Bildern von Erich Lessing von der 56er Revolution in Ungarn. 

Für das Highlight des Aufenthalts haben wir wiedermal die Dienste einer Frau in Anspruch genommen, die ihr Geld auf der Straße verdient. Die Führung zum Film „Der dritte Mann“, der aktuell gerade 70 Jahre alt wurde, war mit dem vielen Hintergrundwissen, die beste Führung der gesamten Reise. 

Das Beste kommt zum Schluß

So zumindest heißt der Gutschein, den Jutta zum Geburtstag bekommen hat. Wir sind wieder auf Fluß Kilometer 1653. Mal sehen wer weiß wo!

Hier absolvieren wir im Hotel T62 gerade einen Reintegrationskurs in zivilisiertem Leben. Zum Beispiel ist Dusche kein Synonym für Baden in der Donau. Bei den schneeweißen Handtüchern hilft, vor Benutzung, die Gewissheit ausreichend sauber zu sein, um später nicht abzufärben.

Das Schlafen zwischen Bettlaken ist zunächst einmal keine Verbesserung gegenüber  unseren Thermarests. Komisch, so sehr man sich auf ein echtes Bett gefreut hatte, so wenig findet man nun den tiefen, ruhigen Schlaf, den man sich gewünscht hatte.

Einzig der Gang zum großen Geschäft, ohne Spaten, ist wirklich eine Erleichterung. Wobei mit Spaten wars das ja auch 😉

Uns fehlen die täglichen Paddelkilometer, auch wenn es die rumänischen Distanzen der letzten Tage es in sich hatten.

Ansonsten genießen wir das Angebot dieser riesigen Stadt bzw. auch zuweilen den banalen Müßiggang. 

Insel Sacalinu

Zum ersten Mal geht es im Verbund aufs Wasser. Wir haben nur ca. 4 Kilometer, raus auf die Insel Sacalinu. Es ist Regen angesagt und zum ersten Mal Rückenwind. Der Regen bleibt zum Glück aus, der Rückenwind beschert uns auf den flachen Sandbänken hohe Brandunswellen. Es ist also ob das Schwarze Meer uns nicht haben will und versucht uns auf die Donau zurückzuwerfen. Alle liegen sich nun hier am Schwarzmeerstrand im Freudentaumel in den Armen oder Toben trotz zu kühlem Wetter in den Fluten. Schön einen Lieblingsmenschen in diesem Moment der tiefen Gefühle neben sich zu haben. Manche sind froh es hinter sich zu haben. Viele fragen sich angesichts der Leere vor uns, wie es weiter geht. Werden wir, wie Jeff Goldblum vorausgesagt hat, verschwinden. Als ob es vom Schicksal vorgesehen sei, verliere ich im hektischen Start in der Brandung meine Armbanduhr, die mich über 30 Jahre begleitet hat. 

Die unendliche Geschichte (letzter Teil)

Wir sind in Sfântu Georghe. Fluß Kilometer Schilder haben wir keine mehr gefunden, wissen aber, dass der Ort auf 3 oder 4 liegt. Das vorletzte Digit ist nun also auch verlorengegangen.

Jeff Goldblum beschreibt in Independence Day seinem Kollegen einen Countdown wie folgt:

JG: Das Signal wird mit jedem Zyklus schwächer. 

K: Was bedeutet das David? 

JG: Das heißt, das es von selbst verschwinden wird. 

Delta

Das Delta ist der eigentliche Knaller der rumänischen Strecke. Die erste Hälfte ab Tulcea wirkt noch etwa wie ein Altrheinarm nur mit geschlossenerer Vegetation. Die zweite Hälfte ist eine undurchdringliche Schilf Landschaft, die für Stunden nirgends eine Möglichkeit zur Anlandung und damit zur Pause bietet. 

Wer den Umweg inkauf nimmt und in die alten Arme fährt, statt den schnellen Weg der Durchstiche zu nehmen, wird mit tollen Tierbeobachtungen belohnt.

Diese Arme werden vom Menschen genutzt, meist von Anglern. Dennoch ist der Verkehr viel geringer, als im Hauptarm. Die Abenteurerin fotografiert viele Vögel und auch eine von vier Schlangen, die uns begegnen. Leider sind die Tiere sehr scheu und schnell in Deckung. So ist das Beweisfoto leider nicht gelungen. Von den vier Begegnungen waren zwei schwimmende Schlangen dabei. Zum Glück ist die Schlange in beiden Fällen nicht auf unser Kajak aufgestiegen, wie bei einem Paddelkollegen, der zusätzlich die Spritzschürze offen hatte. Zum Glück fand die Schlange das Cockpit weniger erstrebenswert wie den Weg zurück ins Wasser 😉 

Delta Touren sind das große Geschäft hier und so kommt ein Erkundungboot nach dem andern an uns vorbei. Die Boote haben die Größe eines Wassertaxis, fassen ca. 12 Personen und fahren mit enormen Geschwindigkeiten (bei enormer Lautstärke) , da oft mehrere zehn Kilometer bis zum Beobachtungsgebiet zurückgelegt werden müssen. Der Wellenschlag eines dieser Boote bringt unser Kajak in der Mittagspause am Platz unter einem Baum fast zum Kentern!

Tulcea

Tulcea, das Tor zum Delta, begrüßt uns mit einem Empfang am Hafen, nachdem wir mit einem Feld von  ca. 50 Booten vorbei an der Promenade gefahren sind. Die TID ist seit Jahren fester Programmpunkt der RowMania. Abends werden wir auf der Bühne des Blues Festivals geehrt werden, für die längste Strecke. Unser Projekt Biebrich–Schwarzes Meer hat sich rumgesprochen. Zusammen mit uns auf der Bühne der Älteste und die Jüngste Durchfahrerin. 

Fähre

Die unendliche Geschichte (Teil 2)

Wir haben ein weiteres Digit verloren. Woher kommt allerdings der komische Sprung von 150 auf 80 (welche wir trotz aufmerksamer Ausschau verpasst haben)? Ganz einfach in der Mündungsdonau werden Seemeilen statt Kilometer ausgewiesen. Eine Seemeile entspricht 1,852 Kilometer bzw. einer Winkelminute. Warum das besser sein soll, als mit Kilometern fortzusetzen, wissen wir auch nicht. Aktuell sind wir in Tulcea (39 sm), dem Tor zum Delta. Hier haben wir auch nach Umrechnung in Kilometer nur noch zweistellige Beträge 😉

Gypsy oder der Zigeunerbaron

Das von der Bürgermeisterin von Hirsova (250 km) gesponserte Abendessen ist zuende. Unser Paddelkollege aus Rumänien, bietet einen Spaziergang, vorbei am Laden, dem Bankomat zur prächtigen, goldgekrönten Kirche an.

Mit ca. 10 Paddlern geht’s also los. Die Kirche ist eher nicht der Bringer, zumal das Dach nicht leuchtet, sondern in der Dunkelheit schwarz ist. Auch ist die Kirche geschlossen und die vermeintlich prächtige Innenausstattung ist nicht zugänglich. Die Innenbilder stammen aus einer viel kleineren Kirche vom Mittag. 

Wir befinden uns nun aber mitten im Zigeuner Viertel der Stadt. Unser Guide weist auf die Häuser der reichen Zigeuner hin, die mit ihren Arkaden wie Paläste wirken. Gleich daneben halb zerfallene Hütten der weniger Reichen und nun auch viele Kinder, aber auch Alte, für die wir die Attraktion zu sein scheinen und die uns in Horden folgen. Das Gehabe ist durchaus nicht ohne Aggressivität und auch sprachlich läßt der Ton vermuten, dass besonders die kleinen Kecken sich mit Schmähungen hervortun. Gleichzeitig wird gebettelt und geschnorrt. Die Fahrtenleitung hatte ja darauf hingewiesen, dass Vorsicht geboten sei, auch wenn in Jahren bisher nix passiert sei. Dennoch sind wir froh als die Horde das Interesse an uns verliert und wir die restliche Strecke unbehelligt übers Feld zum Donaustrand zu unseren Zelten gehen können. 

In der Nacht patrouilliert die Polizei durch unser Camp. Eine Polizistin unter den Paddlern, sagt, die Paläste sein durch Organisierte Kriminalität im Westen der EU finanziert. 

Man findet im Internet einige Information über Roma ohne Papiere und damit ohne Ansprüche in Rumänien. Es ist die Rede von Armut und Chancenlosigkeit.

Auch das nächste Camp Stancuta (220 km) wird noch im Romagebiet liegen.